Die Nutzwertanalyse
Grundlegendes zur Nutzwertanalyse
Die Nutzwertanalyse ist eine Methode zur Bewertung mehrerer Alternativen.
Sie ist ein qualitatives, nicht-monetäres Verfahren und fand ihren Ursprung
in der Entscheidungstheorie.
Das Verfahren ist auch als Punktwertverfahren,
Punktbewertungsverfahren oder Scoring-Modell bekannt.
Die Nutzwertanalyse stellt ein Werkzeug dar, das dabei hilft, rationale, komplexe Entscheidungen zu treffen, wenn sogenannte "weiche Kriterien" zur Entscheidungsfindung gegeben sind. Weiche Kriterien sind solche, die nur subjektiv auf einer ordinalen Skala zu bewerten sind (Emotionale Bindung an ein Objekt, Freundlichkeit der Mitarbeiter in einem Geschäft, etc.). Harte Kriterien hingegen sind objektiv und monetär vergleichbare Merkmale (Kosten, Umsatz, Durchlaufzeiten, etc.). Durch Bewertung und Gewichtung der einzelnen Kriterien hilft die NWA eine objektive Entscheidung basierend auf subjektiven Priorisierungen zu treffen und erleichtert dadurch die Wahl zwischen mehreren Alternativen.
Die NWA ist ein seit Langem bekanntes Verfahren und aus der Kosten-Nutzen-Analyse entstanden. Im Gegensatz zu dieser Methode, die dabei hilft, eine Entscheidung nach den Kriterien der Effizienz einer Alternative in monetärer Hinsicht zu treffen, bewertet die NWA die Effektivität und den Nutzen, den eine Entscheidung nach sich zieht.
In Fällen, in denen eine Entscheidung sowohl nach quantitativen Gesichtspunkten wie auch qualitativen Kriterien gleichermaßen zu treffen ist, kann die NWA hilfreich sein. In der Praxis kommt sie im Controlling, Projektmanagement und der Volkswirtschaftslehre regelmäßig zum Einsatz.
Laut Christof Zangemeister, der die Methode 1976 im deutschsprachigen Raum bekannt machte, ist eine NWA die "Analyse einer Menge komplexer Handlungsalternativen mit dem Zweck, die Elemente dieser Menge entsprechend den Präferenzen des Entscheidungsträgers bezüglich eines multidimensionalen Zielsystems zu ordnen. Die Abbildung der Ordnung erfolgt durch die Angabe der Nutzwerte (Gesamtwerte) der Alternativen." [vgl. Christof Zangemeister: Nutzwertanalyse in der Systemtechnik - Eine Methodik zur multidimensionalen Bewertung und Auswahl von Projektalternativen. Dissertation. Techn. Univ. Berlin, 1970. 4. Auflage. Wittemann, München 1976]
Definitionen und Begrifflichkeiten
Entscheidungstheorie: Die Entscheidungstheorie beschäftigt sich mit der Frage, warum Menschen sich für eine bestimmte Alternative entscheiden und dient gleichzeitig als Hilfestellung zur Entscheidungsfindung.
Qualitative Kriterien: Qualitative Kriterien sind sogenannte "weiche Kriterien", nach denen eine Bewertung erfolgen kann. Sie lassen sich nicht direkt in Zahlen oder Geldeinheiten ausdrücken. Beispielhaft seien Kriterien wie Beratung, Service, Freundlichkeit der Mitarbeiter und Kulanz beim Kauf eines Produktes im Fachhandel genannt.
Quantitative Kriterien: Quantitative Kriterien lassen sich unmittelbar in (Geld-)Einheiten ausdrücken. Im Beispiel des Kaufs eines Produktes im Fachhandel wären dies der Preis, Rabatte, mögliche Transportkosten oder die Gewährung von Skonto (Rabatt bei zügiger Bezahlung).
Effizienz: Die Effizienz beschreibt die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit einer Handlung oder eines Prozesses. Wird ein Ziel mit möglichst geringem Aufwand erreicht, so spricht man von Effizienz. Mit einer Farbrolle streicht sich ein ganzer Raum effizienter als mit einem kleinen Haarpinsel. (Merke: Effizienz ist "die Dinge richtig zu tun.").
Effektivität: Effektiv ist eine Maßnahme, sobald sie zielführend ist. Sie zieht einen Effekt nach sich. Dabei ist der betriebene Aufwand zum Erreichen des Ziels von nachrangiger Bedeutung. Sowohl mit der Farbrolle, als auch mit dem kleinen Haarpinsel kann ein Maler einen Raum streichen. Beide Werkzeuge sind effektiv. (Merke: Effektivität ist "die richtigen/zielführenden Dinge zu tun.").
Exkurs Wertfunktion:
Die Nobelpreisträger Daniel Kahnemann und Amos Tversky haben im Rahmen
ihrer psychologischen Studien zur Erforschung des Verhaltens von Menschen
die Wertefunktion durch Zufall veröffentlicht, ohne es zu bemerken.
Bisher
war das Modell des "Homo oeconomicus" in der Betriebswirtschaftslehre allgemeiner
Konsens. Es sah vor, dass ein Mensch jederzeit zu 100 % rational und ökonomisch
handelt, wenn er sich zwischen mehreren Alternativen entscheiden kann.
Die Forscher hatten jedoch im Zuge dutzender Forschungsprojekte an ihren
Probanden festgestellt, dass sie sich in der Realität zum Beispiel risikoavers
verhalten: In der Regel scheuen Menschen den Verlust mehr als sie den Gewinn
lieben und entscheiden sich daher im Zweifel für die vermeintlich sicherere
Variante.
Ein "Homo oeconomicus" würde sich jederzeit ökonomisch und
rational verhalten.
Die Arbeit der beiden Verhaltensforscher hat dazu geführt, dass sie Prinzipien
erkannten, nach denen sich Menschen zuverlässig irrational verhalten und
entscheiden (Beispiel: Risikoaversion).
[vgl. Daniel Kahneman: Schnelles
Denken, Langsames Denken. Siedler Verlag, München, aus dem amerikanischen
Englisch von Thorsten Schmidt, 27. Juni 2012.]
Mathematische Grundlagen der Nutzwertanalyse
Um eine NWA durchzuführen, ist es zuerst wichtig zu verstehen, wie sich die Endwerte (die Scores) der einzelnen Alternativen, zwischen denen zu entscheiden ist, berechnen.
Meistens sind multiple Kriterien für die Wahl einer bestimmten Alternative relevant. Die Alternativen sind also mittels einer multiattributiven (mehrere Attribute, also Merkmale oder Eigenschaften) Wertfunktion zu bewerten.
Nehmen wir an, es stehen drei Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung, von denen eine zu wählen ist. Der Anwender der NWA überlegt sich nun Kriterien, die bei seiner Wahl eine Rolle spielen. Er macht sich zusätzlich Gedanken darüber, inwieweit die einzelnen Kriterien für ihn relevant sind. Er nimmt also eine Gewichtung vor. Jetzt muss er diese Kriterien gegen die Alternativen, die zur Auswahl stehen, in einer Tabelle abtragen.
Für die mathematische Berechnung der Nutzwertanalyse gilt, dass die einzelnen Kriterien mithilfe einer Skala [vgl. Abschnitt Skalenniveaus] zu bewerten sind. Nach der Festlegung eines Bewertungsmaßstabes (zum Beispiel 1 Punkt für "miserabel", 5 Punkte für "mittelmäßig/befriedigend" und 10 Punkte für "hervorragend") sind die Bewertungen der einzelnen Kriterien in Bezug auf die jeweilige Alternative einzutragen.
Die im nächsten Schritt vorgenommene Gewichtung muss in jedem Fall größer als 0 sein und alle Gewichtungen müssen in Summe 1 (100 %) ergeben.
Der Entscheidende multipliziert seine Punktbewertung mit der Gewichtung und erhält den gewichteten Wert des jeweiligen Attributes. Das Verfahren ist additiv, da zuletzt alle Teilnutzwerte der einzelnen Attribute aufsummiert werden und sich dadurch ein Gesamtwert für jede Entscheidung ergibt. Das macht verschiedene Alternativen miteinander vergleichbar, indem es sie in ein Verhältnis zueinander setzt. Die Alternative mit dem höchsten Score ist nach der NWA auch die beste mit dem größten Nutzen.
Exkurs Skalen:
Skalen geben die Möglichkeit, Daten und Variablen auf ihnen einzutragen. Doch je nach Skalenniveau bieten sie verschiedene und aufeinander aufbauende Optionen zum Vergleich der Merkmale.
Nominalskala: Die Merkmale unterscheiden sich, es ergibt
sich aber keine natürliche Rangfolge (Geschlechter, Automarken, Familiennamen,
Blutgruppen, Steuerklassen, etc.)
Ordinalskala: Merkmale,
die eine natürliche Rangfolge ergeben (Platzierungen bei Rennen, Bewertungen
durch Schulnoten, Zufriedenheit mit verschiedenen Produkten, Bewertungen
nach Punkten)
Kardinalskala: Kardinalskalen lassen sich
in Intervall- und Verhältnisskalen unterteilen. Eine Intervallskala kann
zusätzlich zur Häufigkeit und natürlichen Rangfolge noch den Abstand zwischen
einzelnen Merkmalen angeben (z. B. Datum, Temperatur in °Celsius). Eine
Verhältnisskala kann dies ebenfalls, doch ihre Merkmale weisen darüber hinaus
noch einen natürlichen Nullpunkt auf (Alter, Temperatur in °Kelvin, Fläche
in Quadratmeter).
Für die Nutzwertanalyse sind Skalen praktisch. Weiche, qualitative Merkmale bekommen auf einer Ordinalskala einen Wert in Form eines Scores zugeordnet, die es ermöglichen, ihren Einfluss auf den Nutzen einer Entscheidung berechenbar zu machen. Vereinfacht gesprochen: Ein Wert von 5 lässt sich mit einer Gewichtung von 0,5 berechnen. Die Option wäre mit 2,5 bewertet und ist somit gegenüber anderen Optionen vergleichbar. Ohne Punkteskala wäre keine Berechnung möglich. Da der Wert "diese Alternative ist ganz nett" sich nicht mit der Gewichtung 0,5 berechnen ließe. Das Ergebnis "diese Alternative ist die Hälfte von ganz nett" ist problematisch, da sie zu keinem einheitlichen System führt und somit jede Bewertung der Alternativen unterschiedliche Ergebnisse liefern würde.
Mit einem Punktesystem auf einer Ordinalskala lässt sich eindeutig bestimmten, dass eine Alternative, die im ersten Schritt mit 5 bewertet wurde, doppelt so gut ist wie eine Alternative, die nur mit 2,5 bewertet wurde.
Eine Nutzwertanalyse durchführen:
Wie eine NWA durchzuführen ist, lässt sich am besten an einem fiktiven Beispiel zeigen.
Ein angehender Studierender steht kurz vor seinem ersten Semester an
der Universität in einer für ihn noch fremden Stadt. Nachdem er sich für
seinen gewünschten Studiengang beworben und eine Zusage bekommen hat, macht
er sich auf die Suche nach der passenden Wohnung.
Er findet drei verschiedene
Wohnungen: Wohnung A, Wohnung B, Wohnung C.
Alle Wohnungen sind für ihn
bezahlbar, befinden sich nah genug an der Universität und er bekommt für
jede eine Zusage.
Wie kann er eine Entscheidung treffen, die den größten Nutzen für ihn nach sich zieht? Wie lässt sich der individuelle Nutzen messen und wie sind seine Präferenzen gewichtet?
Da die für eine Entscheidung relevanten Merkmale sowohl qualitativer als auch quantitativer Natur sind, ist eine NWA angebracht, um den Nutzen der potenziellen Wohnungen gegeneinander abzuwägen.
Schritt 1: Festlegung der Alternativen
In diesem Beispiel sind die Alternativen recht deutlich voneinander abzugrenzen und genau zu definieren:
- Alternative 1 entspricht Wohnung A
- Alternative 2 entspricht Wohnung B
- Alternative 3 entspricht Wohnung C
Schritt 2: Definition der Bewertungskriterien
Nun ist die Frage, nach welchen Kriterien die einzelnen Wohnungen zu bewerten sind. In welcher Hinsicht unterscheiden sie sich und was ist relevant für die Entscheidung (der zu entrichtende monatliche Mietzins ist vermutlich für jeden Studierenden von Relevanz. Ob der Vermieter Meier, Müller oder Schulze heißt, eher weniger)?
Nach reiflicher Überlegung entscheidet sich der Studierende für die folgenden Kriterien (Merkmale):
- Mietzins inkl. Nebenkosten
- zu hinterlegende Kaution
- Größe der Wohnung
- Anzahl der Mitbewohner
- Nähe zur Universität
- Nähe zum ÖPNV
- Schnelligkeit der Internetanbindung
Schritt 3: Gewichtung der einzelnen Merkmale
Nicht jedes Merkmal ist für den Studierenden gleich wichtig. Er bekommt
kein BAföG und möchte seinen Eltern nicht zur Last fallen. Daher ist es
für ihn wichtig, dass die Wohnung günstig ist und er nicht zu viel Erspartes
für die Kaution hinterlegen muss. Die Größe spielt für ihn eine weniger
große Rolle, aber er ist nicht besonders gesellig und möchte lieber keine
Mitbewohner oder zumindest möglichst wenige.
Da er gerne Fahrrad fährt,
ist ihm die Nähe zur Universität wichtiger als die Nähe zum ÖPNV. Außerdem
ist er leidenschaftlicher Spieler und legt viel Wert auf eine stabile und
schnelle Internetanbindung.
Für die Gewichtungen gilt, dass sie jeweils größer als 0 sein müssen (sonst wäre es kein relevantes Merkmal) und in Summe müssen alle Gewichtungen zusammen 1 respektive 100 % ergeben.
Der Studierende kommt zu folgender Gewichtung:
- 0,3 Mietzins inkl. Nebenkosten
- 0,2 zu hinterlegende Kaution
- 0,05 Größe der Wohnung
- 0,15 Anzahl der Mitbewohner
- 0,1 Nähe zur Universität
- 0,05 Nähe zum ÖPNV
- 0,15 Schnelligkeit der Internetanbindung
Er führt die Probe durch: 0,3 + 0,2 + 0,05 + 0,15 + 0,1 + 0,05 + 0,15 = 1 entspricht 100 %
Schritt 4: Festlegung des Bewertungsmaßstabes
In diesem Schritt der Nutzwertanalyse kommt eine der Skalen zum Einsatz. Alle Merkmale weisen einen natürlichen Nullpunkt auf und es ließe sich von jedem einzelnen die Differenz errechnen, wodurch also auch das Erstellen einer Rangfolge denkbar ist. Es wäre also möglich, sie auf einer Verhältnisskala einzutragen. Eine Verhältnisskala ergibt aber in diesem Fall keinen Sinn, da sich nur gleiche Merkmale darauf miteinander vergleichen ließen. Der monatliche Mietzins in EUR lässt sich nicht sinnvoll mit der Anzahl der Mitbewohner vergleichen.
Der Studierende nutzt stattdessen eine Ordinalskala. Diese macht er sich zur Nutze, indem er die einzelnen Merkmale der Wohnungen mit einem Punktesystem von 1 bis 10 bewertet. 1 bedeutet, die Wohnung schneidet bezogen auf ein Merkmal miserabel ab, 10 Punkte bedeuten, die Wohnung ist gemessen an diesem Merkmal unschlagbar.
Schritt 5: Bewertung und Berechnung der gewichteten Punkte
Der Studierende vergleicht Wohnung A bis Wohnung C und kommt zu folgendem Ergebnis:
Wohnung A:
- 8 Punkte x 0,3 für Mietzins inkl. Nebenkosten = 2,4
- 8 Punkte x 0,2 für zu hinterlegende Kaution = 1,6
- 4 Punkte x 0,05 für die Größe der Wohnung = 0,2
- 5 Punkte x 0,15 für die Anzahl der Mitbewohner = 0,75
- 2 Punkte x 0,1 für die Nähe zur Universität = 0,2
- 4 Punkte x 0,05 für die Nähe zum ÖPNV = 0,2
- 5 Punkte x 0,15 für die Schnelligkeit der Internetanbindung = 0,75
Wohnung B:
- 6 Punkte x 0,3 für Mietzins inkl. Nebenkosten = 1,8
- 4 Punkte x 0,2 für zu hinterlegende Kaution = 0,8
- 10 Punkte x 0,05 für die Größe der Wohnung = 0,5
- 4 Punkte x 0,15 für die Anzahl der Mitbewohner = 0,6
- 2 Punkte x 0,1 für die Nähe zur Universität = 0,2
- 4 Punkte x 0,05 für die Nähe zum ÖPNV = 0,2
- 8 Punkte x 0,15 für die Schnelligkeit der Internetanbindung = 1,2
Wohnung C:
- 5 Punkte x 0,3 für Mietzins inkl. Nebenkosten = 1,5
- 6 Punkte x 0,2 für zu hinterlegende Kaution = 1,2
- 4 Punkte x 0,05 für die Größe der Wohnung = 0,2
- 5 Punkte x 0,15 für die Anzahl der Mitbewohner = 0,75
- 7 Punkte x 0,1 für die Nähe zur Universität = 0,7
- 6 Punkte x 0,05 für die Nähe zum ÖPNV = 0,3
- 3 Punkte x 0,15 für die Schnelligkeit der Internetanbindung = 0,45
Schritt 6: Addieren der Ergebnisse
Zum Schluss muss der Studierende die Bewertungen der einzelnen gewichteten Merkmale der jeweiligen Alternativen summieren:
- Wohnung A: 6,1
- Wohnung B: 5,3
- Wohnung C: 5,1
Im Ergebnis liegt Wohnung A auf Platz 1, gefolgt von Wohnung B auf dem zweiten und Wohnung C auf dem dritten Platz.
Da die Nutzwertanalyse alle Kriterien enthält, die für den Studierenden relevant sind und diese entsprechend seiner persönlichen Präferenzen gewichtet wurden, bildet diese Rangfolge den Nutzen der einzelnen Wohnungen für ihn ab.
Im Gegensatz zum Homo oeconomicus, kann er sich irrational entscheiden,
ohne lediglich auf wirtschaftliche Folgen seiner Wahl zu achten.
Der
Homo oeconomicus würde vermutlich überlegen, ob eine Internetanbindung überhaupt
notwendig ist, und wenn ja, welche am günstigsten zu erwerben wäre. Der
Preis der Wohnung wäre von größter Bedeutung, da sie den Großteil der Kosten
ausmacht. Die Kaution würde vielleicht sogar als Anlagemöglichkeit betrachtet
und die Nähe zur Universität und zum ÖPNV wäre wichtig, um Zeit und damit
Geld zu sparen. Mitbewohner wären nur relevant, wenn sie einen Teil der
Mietnebenkosten übernehmen und die Größe des Wohnraumes müsste nur zweckdienlich
sein.
Die Realität sieht, wie in diesem Beispiel auch, anders aus: Kein Mensch verhält sich vollkommen rational und ökonomisch. Die Verhaltensforschung hat eindeutig gezeigt, dass Menschen nach ihren Präferenzen entscheiden und sich besseren Wissens gegen eine eigentlich günstigere Alternative entscheiden.
Typische Fehler bei der Nutzwertanalyse
Ein beliebter Fehler bei der einfachen NWA ist, dass die Merkmale nicht nutzenunabhängig voneinander sind. Wenn der Zuwachs eines Merkmals zugleich den Zuwachs eines weiteren Kriteriums bedingt, ist es unsinnig, sie getrennt voneinander zu bewerten und zu gewichten.
In unserem Beispiel könnte man argumentieren, dass ein größerer Wohnraum
zwangsläufig zu einem höheren Mietzins führen muss. Diese Annahme ist nur
bedingt richtig. Der Mietzins richtet sich nach der Lage, dem Zustand und
noch weiteren Faktoren. Ein großer Raum bedingt also nicht zwangsläufig
einen erhöhten Mietzins.
Unsinnig wäre es jedoch, Kriterien wie "Anzahl
der Fenster" und "Zeit zum Putzen der Fenster" getrennt voneinander zu betrachten,
da das Putzen von zwei Fenstern nun einmal immer länger dauert als das Putzen
eines einzelnen Fensters.
Oft kommt es zur Bewertung der Kenngrößen, nicht zur Bewertung der Auswirkungen. Es kommt zur Bewertung der reinen Größe der Wohnung, nicht jedoch, ob sie einfach ausreichend groß ist. Wenn unser Studierender 15 Quadratmeter benötigt, dann müsste er jede Wohnung mit mindestens 15 Quadratmetern auch mit 10 Punkten unter dem Merkmal "Größe der Wohnung" bewerten.
Ausschlusskriterien dürfen nicht mit in die NWA einfließen. Stehen unserem Studierenden nur 500 EUR monatlich zur Verfügung, ist jede teurere Wohnung automatisch auszuschließen und ist nicht Teil der Analyse.
Die gewählten zu bewertenden Merkmale müssen zudem zur Situation passen. Wie eingangs erwähnt, ist es irrelevant für den Nutzen, ob der Vermieter Schulz heißt und einem das nicht gefällt, weil mal ein ehemaliger Nachbar Schulz hieß und man diesen Menschen nicht mochte. Entscheidet man nach solchen Kriterien, ergibt sich zwangsläufig ein verzerrtes Gesamtbild und es ist schwierig, die Option mit dem größten Nutzen zu wählen.
Die Bewertung der Merkmale ist bei der Nutzwertanalyse problematisch. Nur Kardinalskalen sind in der Lage, relativ objektive Vergleiche zuzulassen. Ordinalskalen bergen das Risiko, dass sie ungenau sind und die geschätzten Werte zu subjektiv und verfälscht sind.
Die Ungewissheit über zukünftige Entwicklungen finden in der NWA keine Berücksichtigung. Der Mietzins kann sich jederzeit erhöhen oder verringern. Die Daten für die Analyse sind die, die zum Zeitpunkt ihrer Erstellung auch erfasst worden sind. Prognosen über den Anstieg des Mietzinses in einem Stadtviertel sind nicht einkalkuliert und haben keinen Einfluss auf das Ergebnis.
Die Subjektivität der Nutzwertanalyse ist in unserem Beispiel kein Problem, da nur der Nutzen des Studierenden von Relevanz ist. Geht es aber um die Neueinführung eines Produktes, ist die Subjektivität der Bewertung auf der Ordinalskala eine potenzielle Fehlerquelle. In solchen Fällen ist es sinnig, größere Teams die Bewertung und Gewichtung vornehmen zu lassen, um einen Mittelwert zu errechnen.
Vorteile der Nutzwertanalyse:
- Eigentlich nicht vergleichbare Merkmale sind durch die NWA vergleichbar.
- Viele verschiedene Kriterien sind miteinander vergleichbar.
- Richtig angewendet entspricht das Ergebnis dem individuellen Nutzen und entspricht eher dem Verhalten eines Menschen als das Ergebnis einer reinen Kosten-Nutzen-Analyse.
Nachteile der Nutzwertanalyse
- Probleme bei der Bewertung und Gewichtung, wenn mehrere Entscheidungsträger unterschiedliche Präferenzen haben.
- Subjektivität kann zu verfälschten Ergebnissen führen.
- Fehleranfällig, wenn Merkmale sich gegenseitig bedingen oder es zur Bewertung von Ausschlusskriterien und Kenngrößen statt der Konsequenzen kommt [vgl. Abschnitt "Häufige Fehler"]
- Zeitaufwändig und arbeitsintensiv.
Um eine durchgeführte Nutzwertanalyse richtig einzuordnen und die Bedeutung ihres Ergebnisses einzuschätzen, sind folgende Punkte stets zu beachten:
- Die Bewertung der Merkmale auf Ordinalskalen kann ungenau sein.
- Die Ziele müssen richtig formuliert und relevant sein.
- Es herrscht Unsicherheit über Bewertung und Gewichtung in der Zukunft.
- Die Subjektivität von Bewertung und Gewichtung. (su)